″In Wetzlar kennt mich noch keiner″
In der Print-Ausgabe 3/2021 von ″Bock auf Handball″ spricht Benjamin Matschke über seine Arbeit als Trainer und Lehrer und auch über seine neue Aufgabe bei der HSG Wetzlar…
Mit 38 Jahren ist Ben Matschke einer der jüngsten Trainer in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga und hat noch eine lange Karriere vor sich. An seinem neuen Arbeitgeber reizt ihn vor allem die Möglichkeit, den Trainerberuf anders zu erleben: ″Ein Drittel meines Lebens war ich bei den Eulen. War dort Spieler und Kapitän. Über viele Jahre war es eine Win-Win-Situation für beide Seiten, die mich geprägt und auch verändert hat. Jetzt war ich aber an einem Punkt, an dem es für mich Zeit ist, einen neuen Schritt zu gehen, einen anderen Input und ein neues Niveau zu erleben. In vier Jahren Bundesliga habe ich 75 Prozent meiner Spiele verloren. Das macht auch ganz viel mit einem. Das ist nicht immer leicht gewesen und hat Spuren hinterlassen.″
Ab der kommenden Saison wird Ceven Klatt von den Rimparer Wölfen dann erfahren dürfen, was es bedeutet, Trainer der Eulen Ludwigshafen zu sein. In welcher Liga es letztendlich sein wird, zeigt sich in den verbleibenden Spielen. Die Erfahrung aus den vergangenen Saisons hat gezeigt, dass die Eulen immer bereit sind, wenn es darauf ankommt. In ″Lu″ können sie Herzschlagfinals. ″Es muss einen Grund haben, dass da etwas passiert, was außergewöhnlich ist. Die Mannschaft, das Trainerteam und die Geschäftsführung sind wirklich nah beieinander und haben einen sehr guten Zusammenhalt. Ich glaube, das ist spürbar″, sagt Matschke, dem Offenheit und Kommunikation besonders wichtig sind.
″Ehrgeizig bis unters Dach″
Zwischen ihm und seinem Wetzlarer Vorgänger liegen 23 Jahre mehr an Erfahrung als Trainer. Was lässt Ben Matschke bei seinem neuen Verein ab Sommer also spielen? ″Das hat sich in den vergangenen vier Jahren immer wieder geändert. Ich bin da permanent in der Anpassung. Durch die vielen Niederlagen muss ich Routinen brechen und den Jungs neue Impulse vermitteln. Da hinterfrage ich mich eigentlich täglich. Viele statistische Zahlen oder Videostudium helfen mir da. Der ein oder andere wird sagen, dass viele junge Trainer ″Laptop-Trainer″ sind, aber das ist ja logisch. Wir haben nicht die Erfahrung wie ein 60-Jähriger. Wir haben jetzt die Hilfsmittel über Statistiken und Zahlen, um etwas daraus abzuleiten: warum sollen wir sie nicht nutzen? Ich bin ehrgeizig bis unters Dach und will mich auf dem besten Niveau messen. Das hat mich immer getrieben.″
Der junge Lehrer ist ein reflektierter Vermittler. Einer, der sein Wissen weitergeben kann, sich ständig weiterbildet und informiert. So auch über seine neue sportliche Heimat. Schliesslich will er vorbreitet sein, sollte die Presse danach fragen, wieso Johann Wolfgang Goethe den Sommer 1772 in Wetzlar verbracht hat. Während er das nächste Kapitel seiner Geschichte schreibt, beendet Kai Wandschneider wahrscheinlich sein letztes im Profisport. Als sein Nachfolger bezweifelt Ben Matschke, dass er im hohen Alter noch an der Seitenlinie eines Handballvereins stehen wird. In einem Klassenzimmer hingegen sieht sich der Optimist, für den das Glas immer halb voll ist, schon eher. Mit Sicherheit aber auch mit einer Säge im Wald.